Liebe Leserinnen, liebe Leser,

mit diesem gerahmten Bild verbinde ich eine Geschichte, die mich doch sehr angerührt hat. Beim Verteilen der Einladungen für den 1. Quartiersabend „Sandviertel“ kam ich in ein kleines Antiquitätengeschäft Am Berge Nr. 29. Die sehr freundliche Inhaberin holte, als sie hörte, dass ich vom ALA sei, dieses alte Bild. Es zeigte die Schlachterfamilie Mundinus, die früher ihr Geschäft in dem Haus hatte. Das Fachwerkgebäude aus dem 17. Jahrhundert nebenan wurde abgerissen und 1926 durch einen Neubau ersetzt, wie sie unten auf den Fotos sehen können. Auch beim Verteilen der Einladungen für den 2. Termin ging ich wieder in ihr Geschäft. Alles war in Auflösung. Der kleine Laden sollte am nächsten Tag geschlossen werden. Ich kaufte das Bild auch um diese freundliche Frau in Erinnerung zu behalten. So geht wieder eine Stadtgeschichte nach 38 Jahren zu Ende.


An jedem 1. Donnerstag im Monat treffen wir uns im Kapitelsaal des ehem. St. Michaelisklosters (Eingang St. Michaelis Ostseite, unter der Treppe) um solche Geschichten zu erzählen und zu bewahren. Das nächste Treffen ist schon am Donnerstag, dem 02.05.24 um 19:00 Uhr. Sie sind herzlich eingeladen.
Bei den Quartiersabenden haben wir historische Aufnahmen und Dias aus den siebziger und achtziger Jahren gezeigt und verglichen mit der heutigen Situation. Stark verändert hat sich die Zuordnung der Quartiere. Die westliche Altstadt ist heute Touristen-Hotspot, im Markt- und Sandviertel sollen wir einkaufen „shoppen“ und im Wasserviertel steht die Gastronomie an erster Stelle. Gewohnt wird am Stadtrand. Die höchsten Zuwachsraten hat hier Kaltenmoor, Oedeme, Ochtmissen und Rettmer (Statistik Hansestadt vom 09.01.24).
Für den Erhalt unserer historischen Häuser in der Innenstadt ist dies ein Dilemma, waren sie doch überwiegend als Wohnhäuser gebaut für Patrizier, Sülfmeister, Salinen-, Industrie- und Hafenarbeiter, Handwerker und deren Familien.

Am meisten gelitten haben sicher die einst repräsentativen Bauwerke in den heutigen Fußgängerzonen. Sie wurden überwiegend im Erdgeschoss komplett entkernt, Utluchten und schöne Eingänge wurden abgebaut und durch moderne Schaufensterfronten ersetzt. Die Aufmerksamkeit soll sich ausschließlich auf die Waren in den Auslagen richten. Entscheidend ist bei Kauf oder Miete nicht der Wert des Gebäudes sondern die Lage. Die ehemaligen Wohnungen in den Obergeschossen werden als Lager oder gar nicht genutzt. Thomas Welter vom Bund der deutschen Architekten sagt hierzu: “ Wir haben eine Fehlentwicklung, dass wir in der Vergangenheit monopolfunktionale Stadtzentren gebaut haben. Wichtig ist – wir müssen heute vom Leitbild einer gemischten Stadt ausgehen.“ Also wieder zusammenbringen, was in Lüneburg eigentlich zusammengehört: Wohnen, arbeiten, einkaufen, ausspannen, essen, trinken, feiern.

Auch in den Fußgängerzonen gibt es wertvolle Baudenkmale mit spannenden Geschichten. Wer weiß denn, wo sich dieses alte Patrizierhaus befindet? Gerne schreiben! Ich löse das Rätsel nächstes Mal auf.
Nicht weit entfernt ist „Galeria“ Karstadt nun also vor der Schließung vorerst bewahrt. In den letzten Monaten wurde versucht, die Verkaufsfläche zu verkleinern. Das angrenzende Bettenhaus Ecke Finkstraße sollte schon ab Februar einen neuen Besitzer haben. Da offensichtlich niemand die große Immobilie mieten wollte, wird sie nun portionsweise als kleinteilige Bürofläche angeboten. Ebenso verfährt man mit der jetzigen Herrenabteilung im Haupthaus. Zuerst waren alle 3 Etagen für 28 000 € mtl.

angeboten, jetzt kann man sich einzelne Etagen anmieten. Große Flächen in der Münzstraße warten ebenfalls schon lange auf Mieter und das hübsche Geschäft „home and garden“ hat auch aufgegeben. Zwischen Großbaustelle und Drogenumschlagsplatz ist dies wohl doch ein problematischer Standort.
Bei allem, was offensichtlich im Argen liegt, gibt es doch immer wieder Anlässe, die positiv überraschen. Die Geschichtswerkstatt hatte einen Rundgang zu den Bänken gegen Rassismus organisiert. Auf diesen Bänken haben Lüneburger*innen Texte vorgelesen oder zur Gitarre gesungen und Am Sande spielte eine inclusive Band von der „Düne“ und hat ein großes Publikum erfreut.

Meinen Lieblingsbeitrag habe ich abgelichtet: Carsten Menges, Dechant der St. Marienkirche, las aus einem Buch von Papst Franziskus. Ein sehr schöner Text. Der fröhliche Gastgeber hat an diesem nasskalten grauen Tag trotz des ernsten Themas „die Sonne aufgehen lassen“.
Zum Schluss wieder ein paar Veranstaltungshinweise: Wir arbeiten fleißig an unserer großen Ausstellung „50 Jahre ALA Lüneburg“ im Heinrich-Heine-Haus vom 15.06.- 08.07.24. Dort zeigen wir nicht nur Fotos aus den Quartiersabenden, sondern auch schöne Renaissance-Kostüme aus dem ALA-Fundus und vielleicht sogar kleine Filme.
Vor kurzem hatte ich eine Führung für den Kulturkreis der VHS mit dem Thema „Kirche, Kloster, Kreisverwaltung“ ein Rundgang über die „im Erdboden versunkene“ Klosteranlage des St. Michaelisklosters, über die Geschichte der Ritterakademie und warum auch unser Museum seinen Ursprung auf diesem Gelände hat. Bei Interesse an diesem spannenden Thema biete ich die Führung noch mal für unseren Kreis an. Interessenten können sich bei den stadtgeschichten@alaev-lueneburg.de melden, dann bekommen sie eine Einladung mit Termin.
Nun sind die „Neuen Stadtgeschichten“ auf den letzten Drücker doch noch im April fertig geworden. Die Verfasserin freut sich über Rückmeldungen und kleine eigene Stadtgeschichten und sagt tschüss bis zum nächsten Mal
Magdalena Deutschmann
Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e. V.
Untere Ohlingerstraße 7, 21335 Lüneburg
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