Stadtgeschichten September 2025

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

ich bekomme viele „Newsletter“ von verschiedenen Organisationen und Vereinen und gehöre damit zu einem anonymen Kreis von Empfänger*innen, der sich für spezielle Themen interessiert. Ganz bewusst möchte ich die „Stadtgeschichten“ lieber als einen Rundbrief verstanden wissen. Das Briefeschreiben ist aus der Mode gekommen und in Briefform findet man fast nur noch Rechnungen im Briefkasten. Mein Rundbrief richtet sich an Sie persönlich. Bei fast jedem Namen, den ich beim Versand über die Mailliste anklicke, habe ich einen Menschen vor Augen, der mir vielleicht nach einer Führung oder einem Quartiersabend seine Mailadresse gegeben hat oder den ich vom ALA oder aus persönlichem Kontakt kenne. Für Sie schreibe ich gerne und das sollen nicht nur „News“ sein, sondern auch Beobachtungen in der Stadt, Kritisches, alte Stadtgeschichten, Philosophisches und auch Informationen oder Einladungen. Heute mal etwas Philosophisches zu Beginn:

Eine Leserin mailte mir angefügtes Foto, das mich sehr betroffen gemacht hat. Ein offensichtlich jüngerer gesunder Apfelbaum ist unter der Last seiner Früchte zusammengebrochen. Ihm fehlte die notwendige Unter-STÜTZUNG. Manche/r fühlt sich vielleicht an die Situation am Arbeitsplatz erinnert. Oder an einen Menschen. Wie wichtig eine Unterstützung bei Überlastung ist, kann man rechts sehen. Zieht man die Stütze weg, bricht der ganze Ast ab. Was aber hat das Ganze mit Lüneburg zu tun? Lüneburg scheint eine sehr fruchtbare Stadt zu sein:

Neue Initiativen, Projekte, Ideen, kulturelle Veranstaltungen usw. sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die „Wandelwoche“ mit ihren 80 Veranstaltungen ist ein Beweis für die Vielfalt in unserer Stadt. Aber nur, was dauerhaft Unterstützung findet, wird überleben. Zu Recht werden die Ehrenamtlichen als „Stützen der Gesellschaft“ bezeichnet und hin und wieder auch geehrt. Aber es werden immer weniger, die bereit sind, eine ehrenamtliche Aufgabe zu übernehmen. Jede Stunde, die im Internet vergeudet wird, fehlt in anderen Bereichen. So kann auch eine gute Sache scheitern.

Eine Initiative, die sich immer noch größter Beliebtheit und Unterstützung erfreut, ist der „Tag des offenen Denkmals“. Ich habe zwei Angebote wahrgenommen und war beim „Rundgang durch das PKL-Gelände“ dabei. Die Psychatrische Klinik Lüneburg, früher LKH = Landeskrankenhaus , wird in der Vorstellung der meisten Lüneburger*innen mit den Gräueltaten während des Nationalsozialismus und mit noch vorhandenen Vorurteilen gegen psychische Erkrankungen in Verbindung gebracht. Cornelia Abheiden, Denkmalpflegerin der Hansestadt Lüneburg, richtete den Focus auf die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Ein Großteil der Anlage wurde zwischen 1891 – 1901 gebaut und auch der 190 ha. große Park wurde um die Jahrhundertwende angelegt und steht, wie fast alle Gebäude, unter Denkmalschutz. 1901 wurde die „Heil- und Pflegeanstalt“ mit 800 Betten eröffnet. Wurden psychisch Kranke zuvor „weggesperrt“ sollte hier eine Alternative zum Wohle der Patienten entstehen. Patientengruppen waren in einzelnen Bettenhäusern untergebracht, umgeben von kleinen Hausgärten, der Blick immer ins Grüne, die Wege geschwungen und die Architektur mit Backstein, Holz und auch künstlerisch wohltuend gestaltet. Es gab und gibt sogar eine Kegelbahn (rechts). Die Patienten konnten in einer großen Werkstatt, in der Gärtnerei oder Wäscherei arbeiten anstatt den ganzen Tag auf den Zimmern zu verbringen. Vom Gelände führte ein breiter Weg in die Stadt. Auf diesem Weg gingen in der Nazizeit die von den Ärzten als lebensunwertes Leben Aussortierten mitten durch Lüneburg zum Bahnhof, wo sie in die Tötungsanstalten abtransportiert wurden!

Die hohe Bedeutung der PKL für die ganze Region hat sich auch nach dem Krieg fortgesetzt. 1968 erreichte die Patientenzahl mit 1600 ihren Höchststand. Heute ist das ganze Gelände für die Stadt geöffnet und lockt mit dem herrlichen Park zum Spazierengehen. Eine gute Möglichkeit, einmal in ein Gebäude hinein zu schauen gibt es viermal jährlich beim großen Flohmarkt im Gesellschaftshaus.

Ebenfalls um die Jahrhundertwende (1907) wurde unser Gradierwerk im Kurpark errichtet. Es sollte ausschließlich zu Heilzwecken dienen. Lüneburg war ab ca. 1925 ein Sol- und Moorbad mit Kurgästen aus ganz Deutschland. Ich erinnere mich noch gut: Die Kurgäste erhielten im Badehaus (1971 abgerissen) in großen Holzwannen medizinische Bäder, im Wandelgang gab es Sole zu trinken und wer unter Atemwegs erkrankungen litt, genoss die salzhaltige Luft vom Gradierwerk. Und natürlich gab es Kurkonzerte und viele schöne Hotels um den Kurpark herum. Der Wert unseres Gradierwerkes wurde mir aber erst kürzlich bewusst. Auf der Landesgartenschau 2023 gab es eine Ausstellung von Salzstädten und auch von ihren Gradierwerken. 53 davon gibt es noch in Deutschland, überwiegend in Kurorten. Vielen dieser Gradierwerke droht das Aus, wegen Verfall und zu hohen Kosten für die Sanierung. Von der Stadt Bad Salzdetfurth kursierte eine Petition von Bürgern, die gegen den Abriss ihrer Gradierwerke (gebaut 1749) aufbegehrten. Ich unterschrieb diese Petition und nannte Lüneburg als Beispiel, dass hier die Sanierung gewagt wurde und gelungen sei. Als der Film von Hajo Boldt https://www.lueneburgaktuell.de/artikel/lueneburger-gradierwerk-feierlich-wiedereroeffnet/ in Lüneburg aktuell erschien, habe ich ihn nach Bad Salzdetfurth gemailt und erhielt folgende Antwort: „Es gibt gute Neuigkeiten: Die Petition ist auch dank Ihrer Unterstützung ein Erfolg! Die Stadt Salzdetfurth………hat die Restaurierung der beiden Gradierwerke beschlossen.“

Wir haben nicht nur ein beeindruckendes Gradierwerk in Lüneburg, es gibt bei uns sogar echte Engel! Glauben Sie nicht? Ich aber seit letzter Woche. Wer mich kennt weiß, dass ich nie ohne meinen kleinen Fotoapparat aus dem Haus gehe, um Fotos für die „Stadtgeschichten“ zu sammeln. Am Dienstag ist mir mein Fotoapparat ins Wasser gefallen und versunken. Als ich ihn herausgefischt hatte, floss das Wasser aus allen Öffnungen heraus. Nichts ging mehr. Eine Freundin riet mir, ihn in Reis zu legen, damit er trocknet. Nach 3 Tagen war er trocken aber knatterte fruchtbar. Die Freundin sagte: Da kann nur Herr K. helfen. Also machte ich mich auf den Weg in die Grapengießerstraße. Obwohl Herr K. beruflich eingespannt war hatte er Mitleid mit mir und behielt den Apparat. Ich solle mich wieder melden. Nach 2 Tagen die Mail: Er funktioniert wieder. Unglaublich! Und er wollte nicht einmal Geld dafür haben. Aus Freude darüber habe ich Herrn K. fotografiert und bin dann gleich zum Fotografieren des Gradierwerkes in den Kurpark gezogen. Herr Peter Krenzien ist einverstanden, dass ich das Foto von ihm veröffentliche und ich setze noch ein dickes DANKESCHÖN darunter!

Wenn Sie die nächsten Stadtgeschichten erhalten, ist bei uns schon Winterzeit. Dunkelheit, kalt-nass-graues Wetter und der November als Ganzes sind vielen ein Graus. Wir werden Sie deshalb immer wieder auf kleine Lichtblicke aufmerksam machen. Deshalb gleich in den Terminkalender eintragen: Donnerstag, 06.11.25 um 18:00 Uhr „Archäologie beim Bierchen – Stadtarchäologe Tobias Schoo berichtet über neueste Ausgrabungen in Hagen“. Unser Leser und Bierbrauer Carsten Nolte lädt alle zu diesem interessanten Vortrag herzlich ein, in sein „Gasthaus Nolte“, Dahlenburger Landstraße Nr. 102, zu kommen. Mehr zum Thema in den nächsten „Stadtgeschichten“.  Wer nicht so lange auf einen gemütlichen und informativen Abend warten möchte – am Donnerstag, dem 02.10.25 findet ab 19:00 Uhr  der ALA-Stammtisch im Kapitelsaal unter der Schneidertreppe hinter der Michaeliskirche statt.  Auch hierzu sind alle Stadtgeschichtler*innen herzlich eingeladen.

Viele Grüße und einen goldenen Oktober wünscht
Magdalena Deutschmann

stadtgeschichten@alaev-lueneburg.de

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