Stadtgeschichten Oktober 2025
Liebe Leserinnen und liebe Leser,


Mitte Oktober durfte ich als Gast an einigen Veranstaltungen der Tagung AG Inventarisierung der Nieders. Landesbehörde für Denkmalschutz in Lüneburg teilnehmen. Bei einer Führung zur Stadtgeschichte besuchten wir u. a. die Handwerkskammer an der Friedensstraße, die jetzt auch unter Denkmalschutz steht. Das war sehr interessant. Im ganzen Gebäude war die Handwerkskunst der Mitglieder sichtbar. Besondere Schmiedearbeiten (rechts Foto), schöne Parkettböden und im Versammlungsraum Wappen und Embleme der einzelnen Zünfte (links). Bei der Hausführung wurde auch die Zeit der Nationalsozialisten nicht ausgespart. Unter dem Gebäude befindet sich ein großer Luftschutzbunker. Eine anrüchige Gepflogenheit gab es früher im kleinen Sitzungssaal: Bevor das Rauchverbot in öffentlichen Räumen erlassen wurde, reichte man Zigarren zu den Zusammenkünften. Der Qualm soll so dick gewesen sein, dass man kaum die gegenüberliegende Seite erkennen konnte. Selbstverständlich tagten hier nur Männer…

Professor Werner Preuß und ich konnten auch beim Vortrag des bekannten Lüneburger Architekten Carl-Peter von Mansberg (92) zuhören, der den neuen Trakt des Kreishauses gegenüber von Kapitelsaal und Klosterruine entworfen und gebaut hat. Er sprach auch über die Zeit, in der die Häuser der Westlichen Altstadt wegen der Senkungsschäden abgerissen werden sollten. Herr von Mansberg war damals für eine Neugestaltung des Viertels. Seine Begründung beschrieb drastisch die damaligen Zustände: Die Westliche Altstadt war ein Schandfleck Lüneburgs, bestehend aus Bruchbuden und katastrophalen hygienischen Verhältnissen. Ratten, Prostitution und Kriminalität waren an der Tagesordnung. Die Stadt Lüneburg schrieb einen Architektenwettbewerb zur Neugestaltung der westlichen Altstadt aus. Herr von Mansberg hatte seinen Modellentwurf mitgebracht. Er bevorzugte den Bauhaus-Stil. Curt Pomps Plan, die alten Renaissance-Bauten wieder zu restaurieren, passte so gar nicht zu den damaligen Zukunftsvisionen der Stadt. Später haben die beiden Architekten sich regelmäßig ausgetauscht und wertgeschätzt.
Es war mir eine große Freude, den Tagungsteilnehmern nach diesem Vortrag bei einem Rund-gang zu zeigen, was aus den alten Bruchbuden geworden ist. Der Regen hatte aufgehört und die restaurierten Renaissance-Häuser leuchteten in den schönsten Farben. Heute verdient die Stadt ihr Geld nicht mehr mit Salz sondern genau mit diesem ehemaligen Problemviertel, das tausende von Touristen jedes Jahr anlockt.

Ich war mit der Gruppe auch in unserem Historischen Speicher Am Iflock und im Kapitelsaal. Für alle war es kaum vorstellbar, dass in den vierziger Jahren eine Expertengruppe im Auftrag der Stadt das große Fachwerkgebäude von 1476 als nicht erhaltenswert eingestuft hat (links). Der ALA hat den Speicher dann gekauft. Die ganze Geschichte ist nachzulesen im Aufrisse-Heft Nr. 8, zu finden unter https://alaev-lueneburg.de/alawordpress/aufrisse/

Auch unser wertvoller Kapitelsaal von 1376 läge jetzt nach den damaligen Plänen wieder mit Schutt verfüllt unter einer dicken Erdschicht mit darauf parkenden Autos…
Viele, die ein renovierungsbedürftiges historisches Haus gekauft haben, können ein Lied davon singen, was an unvorhergesehenen Überraschungen die ursprünglichen Pläne verzögert: Da dringt Wasser in den Keller ein oder unter der Putzschicht befinden sich Deckenmalereien, das Haus ist viel älter als gedacht, die Balken sind morsch, das Dach undicht, Handwerker springen ab, das Geld reicht nicht. Und aus vielleicht 3 Jahren geplan-ter Renovierungszeit werden dann schnell 5-7 Jahre, wie z. B. am Johann-Sebastian-Bach-Platz. Nachbarn und Freunde trösten und ermutigen zum Durchhalten.

Nicht ganz so verständnisvoll zeigt man sich bei öffentlichen Bauvorhaben mit öffentlichen Geldern. Wenn sich die Bauzeit verlängert und die Kosten steigen wird mit Kritik nicht gespart. Ganze Projekte werden infra-ge gestellt, Schuldzuweisungen sind an der Tagesordnung. Beispiel sind die jahrelangen Querelen um die Elbphilharmonie, heute das Aushängeschild der Hansestadt. Auch in Lüneburg kennen wir solche Projekte: Die Architektur und die Kosten des Daniel-Libeskind-Baus führten zu heftigsten Auseinandersetzungen in der Stadt. Und auch kleinere Bauvorhaben blieben nicht verschont. Die Probleme beim Bau des Wasserspiels im Glockenhof wurden reichlich belästert. Jetzt haben die Kinder im Sommer dort wunderbar gespielt und die kritischen Stimmen sind verstummt. Nächstes Beispiel:


Nach einem Kinobesuch wollte ich mir den neuen Innenhof der Toilettenanlage hinter der Tourist-Information ansehen und war erstaunt: Ist das schön geworden! Und im beeindruckenden Gewölbekeller der Toilettenanlage gab es sogar eine Information über die Geschichte der Räumlichkeiten. Der ALA hatte das Glück, diese einstige Baustelle vor Monaten besichtigen zu können. Die Stufen der Bauarbeiten mit all ihren Problemen wurden uns ausführlich erklärt. Und nun ist die Freude über das Ergebnis doch groß. Einen positiven Kommentar nach dem jahrelangen shitstorm habe ich bislang leider nicht gefunden.
Dazu passend eine weitere Stadtgeschichte aus Lüneburg. In einem Gottesdienst wurde ein Journalist interviewt und gefragt, warum so wenig Positives berichtet wird. Die Antwort war beschämend: Mord und Totschlag und Skandale verkaufen sich besser! Die Nachfrage ist viel höher bei diesen Themen. Dennoch wage ich es, statt an Halloween an den Reformationstag zu erinnern. Die Reformation hat nämlich in Lüneburg die erste evangelische Männerkommunität in Norddeutschland hervorgebracht. Der Abt und die Mönche des katholischen St. Michaelisklosters sind zum lutherischen Glauben konvertiert, so dass der damalige Herzog sie nicht enteignen konnte. Und der Lüneburger Stadtadel war froh, dass ihre Söhne weiterhin von den Benediktinern ausgebildet wurden. So blieb auch der Reichtum des Klosters durch die Salinenanteile in der Stadt…

Mittlerweile sind wir in der Winterzeit angekommen und wir haben viele dunkle, trübe Tage vor uns. Wir werden es uns in dieser Zeit drinnen gemütlich machen. Auch mindestens ein Kneipenabend gehört dazu. Besonders, wenn dieser mit einem interessanten Vortrag kombiniert wird. Am 06.11.25 um 18:00 Uhr wird uns Stadtarchäologe Tobias Schoo im Gasthaus Nolte, Dahlenburger Landstraße 102, von der Geschichte Lüneburgs vor 2000 Jahren berichten können. Er hat am Bilmer Berg eine historische Industrielandschaft im Boden gefunden. Auch Gastgeber und Stadtgeschichten-Leser Carsten Nolte freut sich, wenn wir kommen.

Im Gegensatz zur allgemein gedämpften Stimmung im November beginnt beim ALA schon die Vorfreude auf den Historischen Christmarkt am 06./07.12.25. Plakate werden ausgetragen, Einsatzpläne werden aufgestellt: Wer hilft beim Bratwurststand? Wer schenkt Glühwein und Früchtepunsch aus? Wer hilft bei der Kostümausgabe? Haben wir genug Stadtwachen? Wer packt beim Auf- und Abbau mit an? Bei unserem geselligen Maroni-Abend am Donnerstag, dem 04.12.25 von 17-20:00 Uhr, an dem wir die Esskastanien für die Röstung vorbereiten, wird all dies bei Keksen und heißen Getränken besprochen. Und Sie können gerne dabei sein. Einfach anmelden beim ALA und kommen ALA.eV@t-online.de.
Herzliche Grüße von
Magdalena Deutschamnn
PS: In eigener Sache: Leider ist mir mein ganzer Stadtgeschichten-Verteiler abhandengekommen. Wenn Sie weiterhin den Rundbrief per Mail erhalten wollen, bitte kurz an
stadtgeschichten@alaev-lueneburg.de schreiben.

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