Liebe Leserinnen, liebe Leser,

obwohl ich in Lüneburg geboren bin und fast immer in der Innenstadt gelebt habe denke ich in letzter Zeit, dass ich die Stadt überhaupt nicht kenne! Hierzu ein Beispiel: Ich habe meinen Bus Am Sande verpasst und bin 30 Minuten lang ein wenig herumspaziert. In der Straße „Am Berge“ erfreue ich mich an dem originellen Schaufenster der „Kaffeerösterei Ratzsch“ und gehe hinein. Wie schön, dass die historische Fassade und der Innenraum noch eine Einheit bilden. Der Verkaufsraum ist nicht entkernt, eine Sitzecke befindet sich an einer alten Backsteinwand mit Rundbögen und Nischen, schwere Balken stützen die Decke, alles verwinkelt und urig. Eine alte Kurbelkasse funktioniert anstelle digitaler Technik und mein Kaffee wird frisch gemahlen eingetütet, in einfaches Papier verpackt und mit einem Aufkleber versehen. An der Wand eine Urkunde, die bezeugt, dass es dieses Geschäft schon sein 1919 gibt. Viele Kunden wissen dies offensichtlich zu schätzen.


Ich gehe weiter und staune über eine Warteschlage von Menschen, die in einen Raum mündet, den ich nur verschlossen kenne. Die Wartenden kennen sich aus. Angeboten werden dort Eintopf und Bratwurst. In dem alten weiß gekachelten Raum hängen viele Fotos der Familie Julius Meier und ihrer Vorgänger, hier ansässig seit über hundert Jahren! Ich kenne die Firma von früher an anderer Stelle als großes Geschäft, das geschlossen wurde. Nun hat es also hier im Kleinen überlebt. Geöffnet nur mittwochs und samstags…
Zurück zum Sande habe ich noch ein paar Minuten Zeit. Ich stehe vor dem Lebensmittelgeschäft Wist und sehe drinnen den Inhaber Herrn Petersen im weißen Kittel. Ich traue mich hinein und frage ihn, wie lange sein Geschäft hier schon besteht. Er antwortet „Über hundert Jahre“. So habe ich also in 30 Minuten drei über hundertjährige Traditionsbetriebe als solche kennen gelernt. Was für ein Schatz! Wer schreibt ein Buch über diese Hundertjährigen? Mittlerweile habe ich noch weitere Hundertjährige gefunden. Für Hinweise bin ich dankbar.

Die Freude über die alten Geschäfte vergeht mir schnell, wenn ich meinen Blick weiter über den Sande schweifen lasse. Die leeren Schaufenster der Bäckerei Völsch tragen noch einen Aufkleber „zum 60 jährigen Bestehen“. Daneben das Verkaufsangebot des Maklers. Schmerzhaft auch der Zustand eines Hauses, in dem sich jahrzehntelang ein uriges Antiquitätengeschäft befand. Eine ehemals sicher wunderschöne Jugendstillampe rostet im Eingangsbereich still vor sich hin. Oben sind Fensterscheiben zerbrochen.
Namen der vielen Geschäfte, die es nicht bis zum Hundersten geschafft haben und diesen Platz prägten, fallen mir ein: Die Einhornapotheke, der kleine Strumpfladen (umgezogen), das Bettenhaus Lusthoff, Hotel Wellenkamp, Busbetrieb Röhlsberger (jetzt KVG), und in der Grapengießerstraße Kaufhaus Kerber, Modehaus Hedemann, Firma Popken, Café Macht usw.

Eine weitere Buswartezeit führt zunächst in die Glockenstraße. Erstaunen hier: Gibt es einen „Lost place“ im Zentrum? Ein verfallener Fachwerkbau und ein verschlossenes Tor mit der Überschrift „Lüneburger Zwie…“. Nein, dies ist kein „lost place“ sondern ein Zeitzeugnis der ehemaligen „Lüneburger Zwiebackfabrik“. Mehr dazu im nächsten Quartiersabend.

Wir biegen in die Zollstraße ein. Besser nicht nach oben gucken. Es ist zu frustrierend, in welchem Zustand einige (Wohn-) häuser hier sind. Dafür gibt es ein neues hübsches Geschäft auf der rechten Seite: „Der Buchhüter“. Wunderbar passend zu diesem Haus und zu diesem Ort. Und es ist gut besucht. Ein Hoffnungsschimmer in der Straße.

Nach diesem Rundgang gehen wir auf Weihnachten zu. Es soll ja Millionäre in Lüneburg geben, die immer noch nicht wissen, was sie schenken sollen. Für diese haben wir 4 Vorschläge aus der „Immowelt“: Haus Justus Cordes, Bäckerstraße 2.850 000 € (10 Zimmer, Deckenmalereien), das „Sonnenblumenhaus“ Auf der Altstadt, 1.750 000 €, Am Stintmarkt 1, 1.170 000 € und Fischmarkt Mitte 695 000 €. Es lohnt sich, diese Häuser auch einmal von Innen anzuschauen (Fotos Ausschreibungen). Mein Weihnachtswunsch wäre, dass diese wertvollen und für unser Stadtbild so wichtigen Gebäude in gute Hände kommen…

Für den kleinen Geldbeutel haben wir natürlich auch ein Last-Minute-Schnäppchen: Der neue ALA-Kalender 2024 mit wunderschönen Fotos für nur 10,00 € (Tourist-Information, Lünebuch, ALA-Büro).
Zum Schluss noch wie gewohnt ein paar Veranstaltungshinweise: Im Jahr 2024 feiert der ALA 50 jähriges Jubiläum und wir haben viel geplant:
Am 23. Februar 24 um 18:00 Uhr soll unser letzter Quartiersabend stattfinden. Titel: „Das Sandeviertel – wohnen zwischen Kirche und Kommerz“. Leider hat die Stadt die Zusage für das Glockenhaus storniert und wir suchen momentan nach einem Raum für 100 Personen im Sandeviertel. In der Einladung, die wir im Januar versenden, wird dann der neue Veranstaltungsort bezeichnet. Wie immer brauchen wir eine Anmeldung per Mail, damit der Platz reicht.
Vom 15.06.24 – 08.07.24 präsentiert der ALA seine Arbeit mit einer großen Ausstellung im Heinrich-Heine-Haus. Dort werden wir Fotos aus den Quartiersabenden zeigen, Kostüme ausstellen und ein Raum soll dem Lebenswerk von Curt Pomp gewidmet sein.
Vom 07. – 08.09.24 findet die traditionelle Handwerkerstraße in den Straßen der Altstadt statt und vom 7. – 8.12.24 laden wir zum besinnlichen Historischen Christmarkt ein.
Dieser Brief erreicht Euch in der dunkelsten Zeit des Jahres. Möge er den Tag ein bisschen erhellen. Wir alle vom Arbeitskreis Lüneburger Altstadt wünschen frohe Festtage und freuen uns auf ein Wiedersehen im neuen Jahr 2024
Magdalena Deutschmann
ALA-Büro: Untere Ohlingerstraße 7
Eingang Neue Straße
21335 Lüneburg
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